Ein Cirkus-Mord in den Goldenen Zwanzigern
Das Opfer wurde einem Löwen zum Fraß vorgeworfen, wie schrecklich brutal, da könnte man nur wünschen, dass das Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, was aber leider nicht zutrifft, wie der Pathologe später feststellen wird.Kriminalkommissar Martin Forster soll den Mord im Zirkus aufklären, der sich als Berlins spektakulärster und gleichzeitig als äußerst schwierig aufzuklärender Mordfall entpuppt, der junge Polizist interessiert sich jedoch absolut gar nicht für die Glitzerwelt, in die es nun hinein zu tauchen gilt, ist er doch zu realistisch für solche Reize. Dabei muss allein schon das Gebäude des Cirkus Busch in Berlin tatsächlich mächtig imposant gewesen sein und weltberühmt.
Zunächst einmal sind die Identität des Opfers in diesem sensationellen Fall und somit auch die Motive des Täters völlig unbekannt und der Kreis der Verdächtigen immens groß. Keine leichte Aufgabe also für Martin Forster, noch dazu setzt ihn sein Vorgesetzter Ernst Gennat wegen des Presserummels unangenehm unter Druck, die gierigen Reporter berichten natürlich ausgiebig über den „Löwentoten“.
Zudem muss Forster hinein steigen in die Welt der Ringvereine Berlins, den damaligen kriminellen Vereinigungen, sie existierten in aller Öffentlichkeit und es galt offensichtlich sogar für die gehobene Gesellschaft als schick, Kontakte zu pflegen.
Viele Ermittlungsstränge verlaufen zunächst einmal im Sande, trotzdem ist es spannend zu lesen, wie die Kriminalisten zur damaligen Zeit an einen Kausus heran gegangen sind.
Martin Forster begibt sich dabei sogar auf eher unkonventionelle Wege und ist neuen wie ungewöhnlichen Methoden gegenüber durchaus offen. Auch wenn er sich selbst damit mehr als einmal in die Bredouille bringt.
Der Autor Oliver Schütte verwebt gekonnt seine fiktive Geschichte, die im Berlin der 20er Jahre spielt, mit historischen Personen und Attraktionen. Es wird deutlich, dass er dabei über große Sachkenntnisse verfügt und zudem ausgezeichnet recherchiert hat, die Goldenen 20er werden bis ins kleinste Detail zeitgetreu beschrieben und dies in allen Bereichen: Mode, Politik, Zeitgeschehen, Sport, Lifestyle, Literatur, Schauplätze. Ich fühle mich als Leserin wie eine Zeitreisende tatsächlich hinein versetzt in die Zwanziger, in das Berlin, das dann gerade boomt, kann die Hektik der Stadt nahezu fühlen. Deutlich wird auch der leider immer mehr aufkommende Judenhass, der sich bereits in alle Bereiche der Gesellschaft hinein schleicht.
Ein wenig muss ich schmunzeln über die neueste Erfindung von Forsters Chef, eine Art Spurensicherungs-Wagen, Mord-Auto genannt. Dabei war dies da sicherlich ein großer Fortschritt für die Polizeiermittlungen. Oder auch wenn der Autor einstreut, dass eben alles etwas länger braucht in der Hauptstadt (köstlich!). Man merkt einmal mehr, wie gut Schütte für seinen Kriminalroman recherchiert hat, er vollbringt es fachmännisch, alle Komponenten authentisch rüber zu bringen. Er tut dies in einem mitreißenden und schwungvollen, lockeren und zeitgerechten Schreibstil, und er streut auch hin und wieder eine Prise Berliner Dialekt hinein, was mir gut gefällt. Der Autor schafft es, dass ich bereits nach einigen Seiten ganz versunken bin in die ergreifende und fesselnde Geschichte. Das Ende war für mich in der Form nicht vorhersehbar und es vollzieht sich nahezu in einem überwältigenden Showdown.
Mein einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass der Autor zeittypische Begriffe wie Kontrollmädchen und Halbseidene mehr als einmal in seinem Buch erklärt, doch dies schmälert meinen positiven Eindruck sowie mein Gesamturteil in keinster Weise. Das Berlin zur damaligen Zeit fasziniert mich wirklich und Oliver Schütte hat mich mit seinem Buch dorthin gebracht. Gerne möchte ich das Buch weiter empfehlen und vergebe ihm fünf von fünf Sternen. Zudem bin ich nun mehr als neugierig auf die anderen beiden Romane dieser Serie, in denen sich einige Personen wieder finden lassen.