Freitag, April 12, 2024

Unter dem Moor von Tanja Weber

Wölfe und Hirsche

Nina ist Ende Zwanzig, sie ist Ärztin an der Charité; nach der Corona Pandemie ist sie völlig ausgebrannt und hat ihre Lebensfreude verloren. Nachdem man ihr ein Sabbatical verwehrt, kündigt sie und unternimmt eine Auszeit im Stettiner Haff. Ihr Freund Jan unterstützt sie in allem, was sie von nun an unternimmt. Er selbst geht beruflich für drei Monate nach Toronto in das Hauptquartier seiner Medienfirma. Nina adoptiert die rumänische Straßenhündin Ayla, ein Unterfangen, dass sich als schwierig erweist. Auf dem Land blüht Ayla zwar sofort zusehends auf, aber ihr Jagdinstinkt wird auch geweckt. Auch Nina vergisst im Fischerdorf ihre dunklen Gedanken, obwohl ihr die hier lebenden Menschen nicht geheuer sind. Im Wald stößt Ayla auf ein altes Grab und buddelt menschliche Knochen aus. Nina entscheidet sich, den Fund zu melden.

Schnitt, im nächsten Kapitel wechselt der Erzählstrang ins Jahr 1936 und wir lernen die 14jährige Gine kennen. Sie soll ein Landjahr absolvieren. Für sie ist das verständlicherweise eine Katastrophe. Sie muss für acht Monate in ein Lager für „Arbeit und Erholung“. So sehr die Eltern auch versuchen sich zu widersetzen, Gine wird daran teilnehmen. So kommt Gine von Berlin nach Pommern. Eine harte, folternde Zeit beginnt.

In einem dritten Strang reisen wir in das Jahr 1979 und treffen auf Sigrun. Sie lebt in der DDR und möchte fliehen.

Natürlich gibt es eine Verbindung durch die Zeiten, die es zu erfahren gilt.

In einem atmosphärisch starken wie dunklen Setting erzählt die Autorin Tanja Weber ihre Geschichte. Es wabert unterschwellig stets eine unsichtbare Gefahr über allem – psychologisch ist dies hervorragend durch die Autorin inszeniert. Sie liefert eindrucksvolle Bilder und schildert zudem auch liebevoll und manchmal erschreckend Details. Der Schreibstil ist einzigartig gut, die Erzählstränge sind perfekt miteinander verwoben. Tanja Weber schreibt in schöner, fließender Sprache, die das Lesen angenehm macht. Sie bringt dabei großartige Gefühle rüber, die unter die Haut gehen und mich tief bewegen. Sie hat im Roman lebensechte Charaktere erschaffen, in deren Emotionen und Handlungen ich mich wieder finden kann. Ihre Figuren liefern starke und aufwühlende Reaktionen. Der Plot selbst ist mitreißend, überraschend wie beeindruckend. Dieses Buch ist ein Pageturner, bei dem ich mit dem Lesen nicht aufhören kann.

Von Herzen gerne vergebe ich dem Buch seine wohlverdienten fünf von fünf möglichen Sternen und spreche ihm meine absolute Leseempfehlung aus. Ein Roman mit eindringlich guten Szenen, und einer Geschichte, die mitreißt und unvergesslich bleibt.


Lieblingssatz: ''Das ist der Preis der Freiheit. Wenn Freiheit nichts kosten würde, dann wär sie auch nichts wert.''


Über die Autorin:

Früher hatte Tanja Weber großen Respekt davor, ein Buch zu schreiben. Doch seit sie einmal damit angefangen hat, kann sie nicht mehr aufhören: Aus einem Roman entstehen immer wieder Ideen für weitere. Sie ist eine Wandlerin zwischen den Welten, mit einer unbändigen Sehnsucht nach Veränderung, deshalb wagt sie sich immer wieder an neue Stoffe. Ihre Bücher handeln von Menschen, die sich etwas trauen, obwohl sie Angst haben, und sie erzählen von all den Zumutungen, denen wir im Leben ausgesetzt sind. (Quelle: Ullstein Buchverlage)

Original-Klappentext:

Drei Frauen, drei Leben, eine stirbt, eine rächt sich und eine kann sich retten

1936 wird die 14-jährige Gine zum Landjahr ans Stettiner Haff geschickt, wo endlose Weite Hoffnung verspricht und salzige Böden die Geheimnisse der Menschen hüten. Als sich dort ein Mann an Gine vergeht, schwört das Mädchen Rache und ahnt nicht, wie sehr es damit den Lauf der Zeit beeinflussen wird. Jahrzehnte später zieht sich die überarbeitete Berliner Ärztin Nina in die endlosen Weiten Mecklenburg-Vorpommerns zurück und macht einen erschreckenden Fund. Im geteilten Deutschland träumt die zwanzigjährige Sigrun vom Ausbruch aus den eng gesteckten Grenzen des DDR-Systems. Ihre Geschichte sickert mit dem Wasser des Haffs in den torfigen Boden, bis sie von Nina aufgespürt wird.




Herzlichen Dank an Vorablesen und den Ullstein Buchverlagen für die freundliche Bereitstellung eines Rezensions-Exemplars!