Flucht durch den Eisernen Vorhang
Der Roman „Und der Duft nach Weiß“ von Stefanie Gregg erzählt die
Flucht des siebzehnjährigen Mädchens Anelija aus dem kommunistischen
Bulgarien 1987.
In einer Parallelhandlung wird das historische Attentat auf den großen
bulgarischen Schriftsteller Georgi Markow beschrieben, der als Dissident
nach England emigrierte und dort ermordet wurde.
Im Prolog des Buches gehen wir ins Jahr 1968 nach Sofia, in den
Präsidentenpalast. Dort hat der Präsident Schiwkow eben jenen
Schriftsteller, Georgi Markow, empfangen. Dieser ist halb stolz und halb
verunsichert, fühlt sich in der protzigen Atmosphäre nicht wohl.
Schiwkow erkennt, er mag diesen Künstler, doch er ist keiner von ihnen –
kein Kommunist. Und genau dieser Umstand soll Markow später zum
Verhängnis werden.
In Kapitel 1 befindet sich Anelija gerade erbärmlich frierend auf der
Ladefläche eines LKW’s, der sie in die Freiheit bringen soll. Ihre dünne
Jacke und der Strickpullover können sie nicht schützen, sie glaubt sich
selbst dem Kältetod nahe. Doch sie weiß, warum sie diese Flucht von
Bulgarien nach Deutschland im Jahre 1987 auf sich genommen hat: sie will
in die Freiheit, etwas zu essen und ihre Mutter wieder sehen.
Wunderschön beschreibt Stefanie Gregg wie Anelija sich den Duft
vorstellt, der sie in Deutschland und der Freiheit erwarten wird: Weiß!
Das Symbol für Freude, Frieden, Reinheit.
In Kapitel 2 ist es bereits sieben Jahre später in der Zeit, Anelija
erzählt ihrem Freund Enno zum ersten Mal Teile ihrer Geschichte. Der
versteht nun, warum sie eine solche Angst vor Kälte hat. Doch noch kann
sie sich nicht entschließen, sich ihm völlig zu öffnen, zu endgültig
wäre ihre eigene Geschichte damit gefestigt, nicht mehr zurücknehmbar.
Aber Enno, der sie liebt, gibt ihr die Zeit, die sie benötigt. Die
Autorin findet auch hier bewegende und unvergessliche Worte voller
Poesie: „Erst wenn die Worte ausgesprochen waren, formten sie die eigene
Vergangenheit, die, wenn sie unausgesprochen war, ungewiss, offen und
formbar blieb.“
Es ist ein heißer Sommer und die beiden Studierenden benötigen dringend
eine Abkühlung, die sie am Isarstrand finden. Herrlich wie die Autorin
diese Szene beschreibt, ich fühle mich, als wäre ich selbst dort, kann
die Erfrischung fast schon auf meiner Haut fühlen.
Es ist nun der Zeitpunkt, wo Anelija bereit ist für das erste Mal, sie ist hungrig danach, sich Enno ganz hinzugeben.
Nach diesem Akt ist sie auch endlich bereit, ihre ganze Geschichte zu
erzählen, ihre Mauern komplett für ihn aufzureißen. Sie beginnt zu
erzählen, so befinden wir uns im nächsten Kapitel im Jahre 1975, in
Radilovo. Anelija ist fünf Jahre alt, das Mädchen muss gerade Abschied
nehmen von ihrer Mutter Nadja, die sie in der Obhut ihrer Großmutter
zurück lässt.