Ängste
Die junge Juli erhält zwei Monate nach
einem Selbstmordversuch endlich einen Therapieplatz auf der
Tagesstation einer Psychiatrischen Klinik. Juli leidet an einer
autistischen Störung und einer generellen Angststörung. Sie hat
ihren Tagesablauf minutiös geplant, kommt es zu einer Abweichung des
Plans und sei es nur für eine kurze Zeit, verfällt sie in ihre
Angstzustände. Trotzdem ist Juli fest entschlossen, die Therapie
anzunehmen, auch wenn ihr in der Klinik alles Angst bereitet: die
neuen Menschen, das Sprechen vor einer Gruppe oder sich dem
Therapeuten zu öffnen und Privates von sich preis zu geben. Sophie,
die an einer bipolaren Störung leidet und Philipp, der schizophren
ist, können eine Beziehung zu Juli aufbauen. Als es zu einem
Vorkommnis in der Klinik kommt, beschließen die Drei an einem
Freitag, mitten in den vormittäglichen Therapiestunden, gemeinsam
die Klinik zu verlassen. Sie werden das gesamte Wochenende
miteinander verbringen und auf Menschen stoßen, die sich für
„normal“ halten und teilweise sogar schlimme Vorurteile gegen
psychisch kranke Menschen haben und bald kann man nicht mehr sagen,
wer hier eigentlich der Erkrankte und wer der Gesunde ist.
Alles in allem habe ich als Leserin
eine Geschichte geboten bekommen, die mal zu Tränen rührt, die
schockiert, mal zum Lächeln verleitet, aber immer wachrüttelt. Die
mich gefesselt hat, noch lange nicht loslassen wird, die mich zum
Diskutieren anregt und die mich zunächst einmal tatsächlich
sprachlos zurückgelassen hat. Niah Finnik hat ihre Geschichte bis
ins Detail hervorragend ausgefeilt, wie z.B. den Brief der Mutter,
den die Protagonistin Juli mit sich drei Monate herumgeschleppt hat
oder die vielen anderen unverzichtbaren Stücke in Julis Handtasche.
Die beschriebenen Strukturen der einzelnen Erkrankungen, wie sich
sich tatsächlich auch in manchen Punkten gleichen und wo sie
voneinander abweichen, zeugen von hervorragender Recherche und
Sachkenntnis der Autorin, die selbst Asperger-Autistin ist. Die
wunderbaren Charaktere sind brillant gezeichnet und glaubhaft. Ein
einzigartig gelungenes Debüt der Autorin Niah Finnik, in schöner,
ansprechender Sprache verfasst, in atemraubendem Tempo erzählt.
Von Herzen gerne vergebe ich diesem
Buch fünf von fünf möglichen Sternen und empfehle es absolut
weiter, an Leser, die eine beeindruckende Geschichte auf höchstem
Niveau mit lernfähigen sowie außerordentlichen Figuren genießen
wollen. Niah Finnik hat sich mit ihrem Erstlingswerk als wunderbare
Geschichtenerzählerin bewiesen, sehr gerne möchte ich mehr von ihr
lesen.